Unser Ausscheiden ist crazy | Hockey Club Davos

News - Unser Ausscheiden ist crazy

Das frühe Saisonende des HCD in den Pre-Playoffs schmerzt Christian Wohlwend auch ein paar Tage nach der entscheidenden 0:3-Niederlage gegen Bern noch. Der Davoser Cheftrainer analysiert im Interview mit der Davoser Zeitung die durchzogene Meisterschaft. Und er sagt, wo und warum er Steigerungspotenzial sieht.

Christian Wohlwend, wo orten Sie die Gründe für das Scheitern in den Pre-Playoffs gegen Bern?
Christian Wohlwend: Unser Ausscheiden ist „crazy“, verrückt. Wir dominierten alle drei Partien, gewannen aber nur ein Mal. Bern stand nur hinten hinein und versuchte, unsere Angriffswellen eine um die andere zu überleben. Ich bin nicht der Meinung, dass die Berner defensiv sehr gut spielten. Sie hatten in Toni Karhunen einfach einen Goalie, der alles hielt. Wir verzeichneten ja nicht nur viele Schüsse, sondern auch viele qualitativ gute Torchancen. Unsere Mannschaft spielte gut. Leider kam von unseren Ausländern während der ganzen Meisterschaft viel zu wenig, abgesehen von Magnus Nygren, der eine gute Saison spielte.

Der HCD erzielte in der Qualifikation am zweitmeisten Tore nach dem EV Zug. In der Offensive machte er auch in den drei Pre-Playoff-Spielen vieles richtig. Den ersten Match verlor er allerdings trotz 60 Schüssen aufs gegnerische Tor mit 3:4 in der Verlängerung, im dritten fand der Puck bei 53 Abschlüssen nie den Weg ins Netz. Was lief falsch?
Generell war das Toreschiessen in dieser Saison nicht unser Problem. Aber ab und zu will es einfach nicht. Ich formuliere es so: Das Universum hat einen Plan. Und so war es Schicksal, dass Bern und nicht der HCD in die Playoffs kam.

Auffallend war, abgesehen von den beiden ersten Gegentreffern im ersten Pre-Playoff-Match, das disziplinierte und stabile Defensivspiel Ihrer Mannschaft mit einer geringen individuellen Fehlerquote. Das war deutlich besser als in vielen „Quali“-Spielen…
Alle spielten in diesen Partien disziplinierter als in der Regular Season. In der DNA ist der HCD eher offensiv orientiert. Wir bewiesen aber schon in der Qualifikation im Januar, als wir sechs Spiele in Folge gewannen, dass wir auch defensiv bestehen können. Fakt ist allerdings, dass wir nächste Saison in der Defensive konstant solider spielen wollen. Die Ausfälle von Félicien Du Bois und Claude Paschoud während fast der ganzen Saison schmerzten sehr. Unsere Abwehr wird aufgrund der Transfers stärker sein. Zudem bin ich überzeugt, dass unsere Torhüter ebenfalls besser sein werden.

Zur Stabilisierung der HCD-Defensive trug in den Pre-Playoffs bei, dass Sie mit Tony Sund nach Magnus Nygren einen zweiten Ausländer in der Abwehr einsetzten. Überlegen Sie sich nun, nächste Saison mit zwei ausländischen Verteidigern anzutreten?
Auf keinen Fall. Wir waren wegen den erwähnten Ausfällen dazu gezwungen. Wäre nur Du Bois oder Paschoud einsatzfähig gewesen, hätten wir auch dieser Saison konsequent mit drei Ausländern gestürmt.

Die Pre-Playoffs zur Ermittlung des siebten und achten Playoff-Teilnehmers waren neu im Schweizer Eishockey. Was halten Sie von diesem Modus?
Es ist ja logisch, dass ich dazu nicht positiv eingestellt bin, nachdem wir in den Pre-Playoffs scheiterten. In finde es jedoch generell nicht gut, wenn wie im aktuellen Fall nach der Qualifikation Biel als Siebter 22 Punkte Vorsprung auf die Lakers als Zehnten und wir als Achter 18 Punkte auf Bern aufweisen und dann beide wegen einer Best-of-three-Serie die Playoffs doch verpassen. Da muss man sich fragen, weshalb man sich für einen siebten oder achten Platz in der Regular Season überhaupt den Arsch aufreissen soll. Dann kann man es gleich schleifen lassen, Kräfte und Energie schonen und sich darauf konzentrieren, in den Pre-Playoffs zwei Partien zu gewinnen. Dass ein Gegner nach einem derart grossen Punkterückstand aus dem Nichts heraus noch eine Chance erhält, halte ich für falsch.

Blicken wir auf die ganze Saison zurück: Im Gegensatz zur Saison 2019/20 kam der HCD diesmal zu Beginn nicht auf Touren. Mit einer starken Phase arbeitete sich Ihr Team danach zwischenzeitlich bis auf Rang 5 vor. Dann ging aber die Konstanz wieder verloren…
Wie schon erwähnt waren die Torhüterleistungen über die ganze Meisterschaft betrachtet nicht gut genug. Und unsere ausländischen Stürmer halfen uns nicht so viel wie in der vorangegangenen Saison. Weiter war das Defensivverhalten der ganzen Mannschaft insgesamt nicht gut genug für mehr Punkte. In der Spielzeit 2019/20 gewannen wir viele Spiele knapp mit einem Tor Unterschied, nun verloren wir zahlreiche davon.

Speziell war die Saison natürlich wegen der Coronapandemie. Inwiefern wirkte sie sich aus?
Auf die tägliche Arbeit hatte die Pandemie keinen grossen Einfluss. Da passten wir uns den Umständen entsprechend flexibel an. Aufgrund der fehlenden Zuschauereinnahmen verzichtete aber Spieler und Trainer auf einen Teil seines Lohnes. Das war logisch, jedoch dennoch nicht für jeden einfach und kostete Energie. Wir hatten aber auch Nebenschauplätze, die dem sportlichen Erfolg nicht förderlich waren. Ich denke da etwa an den überraschenden Abgang von Sportchef Raeto Raffainer im Januar zum SC Bern.

Wie war für Sie Eishockey ohne Zuschauer und Fans?
Das war natürlich schlecht, vergleichbar mit einem Meer ohne Strand. Ohne Zuschauer fühlt man sich wie in einem falschen Film. Es war nicht lässig. Emotionen, Gesänge, Anfeuerungsrufe und auch Pfiffe aus den Zuschauerrängen gehören zum Eishockey. Sie bringen Stimmung und jeder Mannschaft den Heimvorteil, der in dieser Saison fehlte.

Im Januar gab es einen doppelten Spielertausch: Valentin Nussbaumer und David Ullström kamen von Biel nach Davos, Luca Hischier und Perttu Lindgren gingen den umgekehrten Weg. In der Schweiz sind solche Tauschaktionen ungewohnt, in der NHL Alltag. Wird sich das in der Schweiz ändern?
Das sollte man viel mehr machen. Ich erachte es wie in einer Beziehung oder im Geschäftsleben: Wenn etwas nicht mehr funktioniert, sollte man es nicht unbedingt „durchstieren“ bis zum Schluss. Da ist es vernünftiger, gemeinsam eine Lösung zu finden und bezogen aufs Eishockey nicht bis zum Ende eines Vertrags auszuharren und böses Blut zu schüren. 

Jetzt hat Ihre Mannschaft Ferien. Wann nimmt sie das Training für die nächste Saison auf?
Wir starten am 5. Mai. Die Schweizer Spieler, die neu zum HCD stossen, werden von Beginn weg dabei sein.

Ziehen sie in der Vorbereitung Konsequenzen aus der abgelaufenen Meisterschaft?
Letztes Jahr trainierten wir in der Sommervorbereitung zwar in Gruppen, die genaue Planung war aber von unserem Off-Ice- und Athletic-Coach Steven Lingenhag individuell auf jenen einzelnen Spieler ausgerichtet worden. Das hat sich bewährt. Daran halten wir fest.

Inklusive Ausländer stossen rund zehn neue Spieler zum HCD. Welche Auswirkungen haben diese vielen Veränderungen aufs Eistraining in der Saisonvorbereitung?
Grundsätzlich planen wir keine gravierenden Veränderungen. Aber natürlich wird es Anpassungen geben. Bekanntlich verlässt uns vom Coaching-Staff Johan Lundskog. Sein Nachfolger bringt eigene Erfahrungen und Ideen mit. Diese werden wir natürlich in den Trainings- und Spielbetrieb einfliessen lassen.

Der HCD hatte schon in der abgelaufenen Saison die jüngste Mannschaft. Durch die Transfers wird sie noch jünger. Was bedeutet das für Ihre Arbeit?
Die meisten Spieler, die neu zum HCD stossen, sind zwar in der Tat noch jung. Sie sind aber bereits etabliert in der National League. Bei uns werden sie von Anfang an eine gute Rolle erhalten; das hängt nicht vom Alter ab.

Bei der im Mai 2020 abgesagten Heim-WM wären Sie Assistenztrainer im Schweizer Team gewesen. Sind Sie auch an der kommenden WM im Mai in Riga dabei?
Ja, ich werde erneut im Trainerstaff als einer der Assistenten von Head-Coach Patrick Fischer tätig sein. Mit der Schweiz an einer WM dabei zu sein, erachte ich als grosse Ehre. Gleichzeitig erhalte ich spannende Einblicke ins internationale Eishockey. Da gibt es immer wieder Sachen, die ich dann auch in meine Tätigkeit als HCD-Trainer einbauen kann. 

Quelle: Hansruedi Camenisch / Davoser Zeitung  Foto: Maurice Parrée
 

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16.04.2021 11:00