Eishockey ist eine Lebensschule | Hockey Club Davos

News - Eishockey ist eine Lebensschule

Die Karriere von HCD-Verteidiger Félicien Du Bois ist am 12. März im Heimspiel gegen die Rapperswil-Jona Lakers mit einer schweren Verletzung am rechten Handgelenk abrupt zu Ende gegangen. Der 37-jährige Musterprofi blickt zurück und verrät, was er künftig tun wird.

Félicien Du Bois, wie geht es mit Ihrer schweren Handverletzung?
Félicien Du Bois: Die Hand ist jetzt wieder weniger empfindlich. Ich trage zurzeit noch einen Gips, kann die Finger aber wieder bewegen. Am 10. Mai erfolgt ein zweiter operativer Eingriff, bei dem „Operationsmaterial“ entfernt wird. Anschliessend kann ich mit Therapie beginnen. Dann werde ich die Fortschritte bei der Genesung sehen.

Bereits vor dem Start zur letzten Meisterschaft hatten Sie aufs Saisonende Ihren Rücktritt als Aktiver bekanntgegeben. Wie fühlen Sie sich jetzt als Eishockey-Rentner?
Im Juli 2020 erlitt ich im Training einen Achillessehnenriss. Ein Comeback war danach mit der langen Aufbauphase nur möglich, weil die Saison wegen der Coronapandemie hinausgeschoben wurde. Ich erhielt so eine zweite Chance und investierte während sieben Monaten viel, um nochmals spielen zu können. Leider kam dann bereits im vierten Match der Handgelenkbruch. Da tat ich mich anfänglich schwer, doch noch mit einer Verletzung aufhören zu müssen. Denn Aufwand und Ertrag fürs Comeback waren eine Katastrophe. Jetzt bin ich daran, mich nach 19 Jahren Profisport an die neue Zeit zu gewöhnen. Es geht mir gut. Aber klar spüre ich zum Beispiel noch die Tendenz, ans Limit zu gehen, wenn ich Sport treibe. 

Seit 2014 verteidigten Sie für den HCD. Was behalten Sie aus diesen sieben Jahren am meisten in Erinnerung?
Gleich in meiner ersten Saison in Davos gewannen wir die Meisterschaft. Der ganzen Mannschaft und auch mir lief es insgesamt sehr gut. Für mich war es der erste Titelgewinn. Er bleibt natürlich mit vielen positiven Erinnerungen und Emotionen verbunden. Geprägt hat mich auch die Zeit mit Arno Del Curto. Er ist zweifellos eine Kultfigur im Schweizer Eishockey. Unter ihm Eishockey spielen zu dürfen war sehr speziell. Im Vergleich zu dem, was ich vorher mit Trainern erlebt hatte, waren seine Meetings und Gespräche atypisch. Mir passt auch die familiäre Atmosphäre beim HCD, die dennoch mit Ambitionen verbunden ist. Unvergessen bleiben weiter die schönen Momente abseits des Eises – in der Kabine, im Mannschafscar oder bei Trainingslagern im Ausland. Ich schätzte und genoss diese Zeit sehr. 

Sie wuchsen in der Nähe von La Chaux-de-Fonds auf, wechselten bereits als 15-Jähriger allein ins Tessin, wo sie im schulischen Bereich in Bellinzona die Matura machten und sich dem Nachwuchs des HC Ambri-Piotta anschlossen. Von 2002 bis 2008 spielten sie für Ambri in der Nationalliga A, anschliessend sechs Jahre für die Kloten Flyers, ehe sie zum HCD wechselten. Diese Schritte sehen schon fast nach einer idealen Karriereplanung aus.
Mich macht es stolz, dass ich bei jedem dieser drei Klubs während mindestens sechs Jahren blieb. Hätte ich jeweils nach ein, zwei Jahren den Klub gewechselt, wäre meine Wahl schlecht oder der Arbeitgeber mit mir nicht zufrieden gewesen. Aufgrund meiner Klubtreue hatte ich auch die Möglichkeit, die verschiedenen Mentalitäten, Sprachen und Kulturen richtig kennenzulernen. Ich konnte mich an allen drei Orten integrieren und profitieren. Das brachte mir vor allem auch menschlich etwas. 

Würden Sie auch ein zweites Mal den Weg als Eishockeyprofi einschlagen?
Auf jeden Fall. Das Eishockey hat mir extrem viel Freude gemacht. Ich spüre bis am Schluss eine sehr grosse Leidenschaft, aufs Eis zu gehen und zu spielen. Mein Rücktritt lag bestimmt nicht daran. Wer darf schon aus einem Spiel seinen Beruf machen? Dass sind wenige Privilegierte. Ich hatte das Glück, dass ich 19 Jahre lang zu ihnen gehörte. Eishockey ist eine Lebensschule. Man lernt mit den verschiedensten Situationen umzugehen – mit Erfolg, mit Leistungsdruck, aber auch mit schwierigen Umständen, etwa Niederlagenserien oder Konflikten innerhalb einer Mannschaft. Solche prägenden Erfahrungen werden mir nun auch nach der Spielerkarriere helfen. 

Sie bestritten in 19 Jahren 819 Partien in der obersten Schweizer Spielklasse. Was würden Sie anders machen, wenn Sie das der Zeit zurückdrehen könnten?
Trainingstechnisch würde ich mehr auf meinen Körper hören. Als Junger war ich dünn und leicht, nicht unbedingt mega kräftig, also nicht prädestiniert fürs Eishockey. Ich musste extrem viel trainieren. Ich merkte jedoch zu spät, dass manchmal weniger mehr gewesen wäre. Wenn es mir nicht wunschgemäss lief oder ich unzufrieden war, glaubte ich, noch mehr machen zu müssen. Das war kontraproduktiv. Dafür erhielt ich später die Rechnung. Ich bin jedoch niemandem böse. Das hatte in jungen Jahren mit meinem Alter zu tun.

Sie trugen die Schweizer Farben an sechs Weltmeisterschaften. Insgesamt absolvierten Sie 124 Länderspiele. Woran denken Sie am liebsten zurück.
Meine erste WM war ausgerechnet als Heim-WM, 2009 in Bern. Nachdem ich zuvor bereits etwa fünf Jahre dem erweiterten Kreis der Nationalmannschaft angehört und kleinere Turniere wie den Deutschland Cup bestritten hatte, war es für mich eine grosse Erleichterung und ein besonderes Erlebnis. Die „Nati“ bleibt mir als coole Zeit mit dem Stolz, das Land vertreten zu dürfen und Hühnerhaut-Momenten bei der Nationalhymne in Erinnerung. Die Nationalhymne hatte auf mich immer eine spezielle Wirkung mit Erinnerungen an meinen Weg; sie bewegte mich jedes Mal. Unvergessen bleibt mir diesbezüglich auch die WM in Moskau mit dem Spiel gegen Russland. Ich finde die russische Hymne ohnehin auch schön. Als dann im ausverkauften Stadion mehr als 12‘000 Zuschauer diese Hymne sangen, war das eine hoch-emotionale Erfahrung.

Sie kennen auch das Olympia-Feeling. 2018 spielten Sie mit der Schweiz in Südkorea.
Sportlich erreichten wir in Pyeongchang zwar nicht den gewünschten Erfolg. Ich bin dennoch froh, dass ich Olympischen Spiele doch noch erleben durfte. 2010 war für mich ein Olympiaaufgebot wohl noch etwas zu früh gekommen, 2014 verpasste ich wegen einer Adduktoren-Operation. Die olympische Stimmung, das Leben im Olympiadorf oder etwa an der Eröffnungszeremonie dabei zu sein sind für jeden Sportler einzigartige Erlebnisse.

Nach dem überraschenden Abgang von Sportchef Raeto Raffainer waren sie beim HCD als dessen Nachfolger ein Thema. Sie lehnten jedoch ab…
Ich war zweigeteilt. Einerseits erachtete ich diese Aufgabe als Riesenchance. Mein Bauchgefühl sagte mir jedoch, dass dafür noch nicht der richtige Zeitpunkt sei. Eine Zusage hätte nicht meinem bisherigen Weg entsprochen. Ich brauchte lange, bis ich mich als Spieler in der NLA etabliert hatte. Noch länger musste ich mich gedulden, bis ich Stammspieler im Nationalteam wurde. Ich glaube fest daran, dass man sich im Leben Schritt für Schritt hocharbeiten muss. Dazu braucht es ein solides Fundament. Ich will auch nach meiner Spielerkarriere lernen, mit kleineren Aufgaben beginnen und nebenbei studieren. Beim HCD werde ich mich um ein kantonales Projekt im Nachwuchsbereich kümmern und daneben an der Fachhochschule Graubünden in Chur ein Studium im Bereich Betriebswirtschaft mit Akzent auf Sportmanagement aufnehmen. 

Worauf freuen Sie sich am meisten nach Ihrer langen und erfolgreichen Karriere als Eishockeyprofi?
Nun kann ich Sport treiben, ohne ständig ans Limit zu gehen. Ich möchte allerdings nicht falsch verstanden werden: Als Leistungssportler fand ich es schön, das Limit auszureizen. In Zukunft werde ich ohne ständig auf die Pulsuhr zu schauen wandern und biken und einfach die schöne Bergwelt geniessen. Soweit es mein Job und das Studium erlauben, möchte ich die HCD-Spiele besuchen, denn Eishockey sehe ich nach wie vor sehr gerne. Ich freue mich, die Jungs zu sehen und zu beobachten, wie sie spielen. Bei Gelegenheit möchte ich auch alte Kollegen treffen – zum Beispiel im neuen Eisstadion in Ambri.

Quelle: Hansruedi Camenisch / Davoser Zeitung    Bild: Maurice Parrée

Lebensschule

30.04.2021 12:00