Wir sind froh, dass wir überhaupt spielen können | Hockey Club Davos

News - Wir sind froh, dass wir überhaupt spielen können

Als Mannschaftsarzt des HC Davos beschäftigte sich Walter Kistler jahrelang primär mit Blessuren. Inzwischen ist aber auch beim Eishockey-Traditionsklub die Coronapandemie mit all ihren Facetten dominant. „Corona ist auch im Sport für alle eine neue Erfahrung – auf der einen Seite spannend, auf der anderen jedoch bemühend, weil der Spielbetrieb immer wieder in Frage gestellt wird, das tut weh“, sagt Kistler.

Corona prägt überall den Alltag. Das Virus diktiert seit März auch den Spielplan im Schweizer Profieishockey. So bestreitet der HC Davos erst sein sechstes Spiel in der laufenden Meisterschaft, wenn er am Dienstagabend in der National League beim SC Bern gastiert. Walter Kister ist nicht nur als HCD-Teamarzt mit der Coronathematik konfrontiert, sondern als Leiter Innere Medizin am Spital Davos regelmässig direkt mit Coronapatienten. Im Spital ist er Pandemievorsitzender. Weiter gehört Kistler dem Davoser Gemeinde-Krisenstab für Corona an. 

Walter Kistler, der HCD ist – neben Bern und den ZSC Lions – eine von nur noch drei Mannschaften, die in der laufenden Meisterschaft der National League wegen nachgewiesenen Corona-Fällen im Team noch nicht in Quarantäne mussten. Was macht der HCD besser als Ambri, Biel, Genf-Servette, Fribourg, Lausanne, Lugano, die SCL Tigers, die Rapperswil-Jona Lakers und Zug?

Walter Kistler: Wir haben unbestritten ein gutes Schutzkonzept und lassen auch die nötige Vorsicht walten, aber wir hatten auch Glück. Das Virus kann irgendjemand in die Mannschaft bringen, sei es zum Beispiel über die Familie oder die Kinder. Wir achteten von Beginn an darauf, dass wir Vorsichtsmassnahmen ergriffen, die nicht nur in der Kabine galten, dass das Bewusstsein auch im Umfeld und im privaten Bereich verankert wurde. Wir hatten auch ein paar Verdachtsmomente, isolierten und testeten diese Spieler aber sofort; all diese Tests fielen glücklicherweise negativ aus.

Wurde das Schutzkonzept des HCD seit Meisterschaftsbeginn noch angepasst?

Wir sind die Schutzkonzepte laufend am Anpassen. Eine absolute Sicherheit gibt es gleichwohl nicht. Die Abstände zwischen den Leuten wurden ab Beginn eingehalten. Inzwischen haben wir zum Beispiel auch in der Kabine konsequente Maskentragpflicht. Der nächste Schritt werden UV-Lampen zur Aerosoldesinfektion sein. Wir haben sie bestellt und warten auf die Lieferung. Weiter diskutieren wir in der Liga über die Einführung der Schnelltests. Zurzeit gibt es noch zu wenig davon. Die aktuellen PCR-Tests sind relativ aufwendig und teuer, und man erhält die Ergebnisse erst am Tag danach. Bei positiven Schnelltests könnten wir sofort die nötigen Isolations- und Quarantäne-Massnahmen durchsetzen.

Wie oft werden die HCD-Spieler auf den Coronavirus getestet?

Vor Meisterschaftsbeginn wurde Ende September ein Routinetest durch die ganze National League durchgeführt. Seither gab es keine obligatorischen Tests mehr. Wie schon erwähnt handelt es sich auch um eine Geldfrage. Ein Test kostet pro Person noch immer mehr als 100 Franken. In der NHL wurde während der letzten Playoffs jede Mannschaft täglich durchgetestet. Zudem setzte die NHL eine „Bubble“-Lösung durch; sämtliche involvierten Leute waren ständig abgeriegelt. Das ist bei uns undenkbar. Man kann die Spieler nicht während einer ganzen Saison von ihren Familien fernhalten.

Macht es Sinn, wegen eines infizierten Spielers oder zwei die ganze Mannschaft in Quarantäne zu stecken statt einfach die an Corona erkrankten Personen zu isolieren und mit den andern Meisterschaftsspiele zu bestreiten?

Ursprünglich bestand die Abmachung mit den Kantonsärzten, dass man einen infizierten Spieler sofort isoliert und das Umfeld testet, aber dass nicht gleich die ganze Mannschaft in Quarantäne gesetzt wird. Wir meinten, die Schutzmassnahmen würden standhalten. In den einzelnen Kantonen wurde dann jedoch unterschiedlich entschieden.

Besteht die Chance, dass es bald zu einer einheitlichen nationalen Lösung mit weniger Spielverschiebungen kommt?

Wir hoffen es. Rechtlich sind die einzelnen Kantone in ihren Entscheidungen frei. Es gibt eher liberale, handkehrum aber auch restriktive Kantonsärzte. Einige sind generell mehr mit dem Sport verbunden als andere. Einerseits hat man vielleicht schon das Gefühl, Sport sei ein Luxusproblem und nicht lebensnotwendig. Anderseits sieht man gerade in Davos, dass hier der HCD ein Wirtschaftsfaktor und auch für die ganze Wintersaison von Bedeutung ist.

Die National League hat entschieden, Ende November eine Standortbestimmung vorzunehmen und gleichzeitig grundsätzlich über die Fortsetzung der Meisterschaft zu diskutieren.

Ich hoffe, dass gesamtschweizerisch eine Lösung gefunden wird, dass bei Einzelfällen nur noch coronainfizierte Spieler isoliert werden und mit dem Rest der Mannschaft in der Meisterschaft gespielt werden darf. Bezüglich Schutzmassnahmen testen die ZSC Lions übrigens zurzeit auf der Spielerbank flexible Plexiglas-Schutzwende zwischen den einzelnen Spielern. Die Erfahrungen sind etwas durchzogen. Die Problematik besteht natürlich, dass man in der Kabine die nötigen Abstände hat, auf der Spielerbank hingegen nicht. Auch die erwähnten Plexiglas-Schutzwände gewähren keine absolute Sicherheit, sie sind ein zusätzliches Puzzleteil, beeinträchtigen allerdings die Kommunikation unter den Spielern und mit dem Trainerstaff. Sollten sie eingeführt werden, müsste der Gastklub diese jeweils für sich mitbringen. Und die Lösung müsste für die ganze Liga gelten.

Zurzeit haben die NL-Klubs zwischen fünf (HCD) und elf Meisterschaftsspiele (ZSC Lions) absolviert. Wie soll bis zum geplanten Ende der Regular Season am 22. März 2021 jeder Klub auf 52 Partien kommen, zumal weitere Spielverschiebungen wahrscheinlich sein dürften?

Das kommt darauf an, wie Corona weiter grassiert. Ich halte es allenfalls für sinnvoll, dass der Meisterschafts-Terminkalender im Frühling verlängert wird. Man muss sich aber auch fragen, ob die Meisterschaft überhaupt noch Sinn macht, wenn immer mehr Teams mit Quarantäne-Massnahmen konfrontiert werden, ob man allenfalls einen Meisterschaftsunterbruch vollziehen sollte, bis sich die Situation beruhigt. Dagegen spricht jedoch, dass das Coronavirus in der kälteren Zeit offenbar aktiver ist und sich in dieser Umgebung begünstigend auswirkt. Man kennt das aus Kühlhäusern und Grossmetzgereien in Deutschland, wo das Coronavirus massiv zuschlug.

Es drohen inklusive Nachholpartien für einzelne Mannschaften bis zu vier Ernstkämpfe pro Woche. Darf ein solches Mammutprogramm einem gut trainierten Eishockeyprofi aus gesundheitlicher Optik zugemutet werden?

Aus den Playoffs kennen wir eine ähnliche Kadenz mit drei Partien pro Woche. Eine solche Belastung hält man nicht über längere Zeit durch. Da wird medizinischer Raubbau betrieben. Die Frage ist bei einer Häufung von Partien stets deren Intensitätsgrad. Das Problem ist bei einem intensiven Spielkalender die fehlende Regeneration. Wenn die Spieler nicht mehr topfit sind, häufen sich zwangsläufig Verletzungen. Aufgrund von Konzentrationsmängel treten zum Beispiel mehr Hirnerschütterungen auf, worauf die betroffenen Spieler während längerer Zeit ausfallen. Je mehr Spieler jedoch fehlen, umso mehr werden die übrigen gefordert; das ergibt einen Teufelskreis.

Der HCD hat seit dem Heimsieg am 17. Oktober gegen „Rappi“ in den letzten 24 Tagen gerade mal zwei Meisterschafspartien sowie den Cup-Achellfinal in Bern bestritten. Wie soll das Team von Christian Wohlwend unter diesen Gegebenheiten einen guten Spielrhythmus finden?

Das ist natürlich nicht einfach und ergibt zwangsläufig eine gewisse „Unfairness“, indem einzelne Mannschaften einen besseren Rhyhtmus haben als andere. Anderseits müssen wir damit umgehen, wie der Coronavirus uns überall einen Strich durch die Rechnung macht. Wir sind froh, dass wir überhaupt spielen können.
 

Quelle: Hansruedi Camenisch / Davoser Zeitung  Bild: Maurice Parrée

dass wir überhaupt spielen können

10.11.2020 11:00