Selten eine solche Demut in der Kabine erlebt | Hockey Club Davos

News - Selten eine solche Demut in der Kabine erlebt

Der HCD hat am Samstag nach zwei Niederlagen in die Erfolgspur zurückgefunden und mit einem souveränen Auftritt den Titelkandidaten ZSC Lions mit 4:1 bezwungen. Verteidiger Thomas Wellinger analysiert die Partie und schildert die Stimmung in der Mannschaft.

Am Samstagabend im Spiel gegen die ZSC Lions: Thomas Wellinger wirft sich kurz vor der ersten Pause in einen Schuss, wälzt sich kurz auf dem Eis, steht auf und kämpft mit schmerzverzerrtem Gesicht weiter, als ob es die leichteste Sache der Welt wäre. Später in der 45. Minute prellt der Abwehrspieler vor, lässt den letzten Zürcher Abwehrspieler gekonnt aussteigen, scheitert dann aber Torhüter Ludovic Waeber. „Ich bin mir solche Situationen in der Offensive nicht gewohnt; deshalb habe ich ja in dieser Saison auch erst ein Tor erzielt. Ein Skorer hätte diese Chance wohl genutzt, ich hingegen habe an die Schoner des Goalies geschossen“, bemerkt er lachend zu dieser Szene.

Ein Vorbild in der Defensive
Wellinger wird beim HCD auch nicht an Toren gemessen. Umso mehr wird die Defensivarbeit des 33-jährigen Routiniers geschätzt. Da fällt der 1,89 Meter lange Athlet mit seiner grossen Übersicht, seinem gespürvollen Positionsspiel und seinem cleveren Zweikampfverhalten auf. Wellinger ist die Zuverlässigkeit in Person, begeht kaum Fehler. Nach elf Wanderjahren beim EHC Biel, dem SC Bern und dem HC Lugano ist der waschechte Davoser auf diese Saison hin zu seinem Stammklub zurückgekehrt. Er trägt seinen redlichen Teil zur Stabilisierung der HCD-Defensive bei. Sie hat in ihren 25 Meisterschaftspartien erst 56 Gegentore hinnehmen müssen – am wenigsten in der ganzen National League.
So ruhig und abgeklärt, wie er auf dem Eis aufritt, analysiert Wellinger nach der Schlusssirene auch die Partie gegen die ZSC Lions. Weil beim HCD mit Dominik Egli (Schulterverletzung) und Oliver Heinen (Grippe) zwei Stammverteidiger fehlten, kamen nur sechs Abwehrleute zum Einsatz; sie wurden umso mehr gefordert. „Natürlich ist das anstrengend, wenn man so häufig auf dem Eis ist“, bemerkt Welliger. „Aber ich mag das. Man hat einen guten Rhythmus und kommt gar nicht erst lange zum Studieren. Dass wir ab dem Mitteldrittel in Führung lagen, erleichterte unsere Aufgabe etwas.“

Mit dem Selbstvertrauen eines Spitzenteams 
„Wir hatten auch in den beiden letzten, verlorenen Partien gegen Ajoie und Fribourg gut gespielt“ meint Wellinger. „Gegen die ZSC Lions benötigten wir aber auch wieder Punkte. Das gelang, weil wir im Gegensatz zum 0:2 gegen Fribourg keine leichten Fehler machten. Wir spielten gegen die Zürcher hinten solid und schossen unsere Tore wieder. Im Startdrittel nutzten wir unsere Torchancen zwar noch nicht. Dennoch gingen wir aufgrund unseres Auftritts mit einem guten Gefühl in die erste Pause. Es schien nur eine Frage der Zeit, bis die Tore fielen. Im zweiten Abschnitt waren wir dann prompt auch kaltblütig.“ Generell trete der HCD zurzeit mit viel Selbstvertrauen auf. „Wenn wir nach zwei Dritteln führen, sind wir zurzeit sehr stark, den Vorsprung auch über die Zeit zu bringen. Da lassen wir dem Gegner mit einer soliden defensiven Absicherung nicht mehr viel zu“, so Wellinger.
Nach dem Titelkandidaten ZSC Lions empfängt der HCD am Dienstagabend den Tabellen-Zweitletzten SCL Tigers (Spielbeginn 19.45 Uhr). „Da haben wir noch eine Rechnung offen. Im letzten Heimspiel gegen die Langnauer gaben wir am 21. September eine 4:1-Führung aus der Hand und verloren in der Verlängerung gar noch mit 4:5“, warnt Wellinger und folgert: „Wir müssen an unserem Spiel nichts gross ändern, sondern unseren Weg aus den insgesamt erfolgreichen letzten Wochen weitergehen. Wir haben ein super Team. Alle machen ihren Job. So müssen wir auch am Dienstag auftreten.“

„I han a u huara Freud“
Dass Wellinger im letzten Frühling nach Davos und zum HCD zurückkehrte, hat er noch keine Sekunde bereut. „I han a u huara Freud“, meint er strahlend. „Wir haben, wie schon gesagt, ein cooles Team und verstehen uns untereinander ausgezeichnet, auch mit dem Staff. Der Erfolg gibt uns Recht. Wenn man Erfolg hat, ist es natürlich viel schöner. Es macht Spass.“ Der Heimkehrer zeigt sich nicht überrascht, dass der HCD in der Liga vorne mitspielt. „Wir haben ein Hammer-Team. Zu Saisonbeginn benötigten wir aufgrund der vielen Transfers noch etwas Zeit, um uns zu finden. Wir haben für jede Position einen guten Spieler, und jeder akzeptiert seine Rolle. Auch in der Phase, als wir von 13 Partien zwölf gewannen, hob keiner ab. In der Kabine herrscht eine Demut, wie ich sie selten erlebt habe.“

Quelle: Hansruedi Camenisch / Davoser Zeitung    Foto: Maurice Parrée

Demut in der Kabine

30.11.2021 11:30